Verkehrte Retro-Welt: Der Nipple-Bra
Heutzutage haben viele Damen hin und wieder das Problem, dass ihre Brustwarzen gerade dann hart werden, wenn es am wenigsten opportun erscheint, nämlich wenn sie in der Öffentlichkeit sind und jemand eine Kamera auf sie richten kann. Und da so gut wie jeder mittlerweile eine recht leistungsstarke Kamera an seinem Smartphone mit sich herumträgt, ist man als Frau unfreiwilligen Brustportraits mitunter schutzlos ausgeliefert. Die Unterwäscheindustrie hat aber schon vor langer Zeit Abhilfe geschaffen und spezielle Büstenhalter gegen den Effekt entwickelt, die Kälte auf weibliche Brustwarzen hat. Mit verschiedenen Modellen, von besonders präparierten Varianten herkömmlicher Bras bis hin zu sogenannten Pasties, die Frau sich kurzerhand auf die Nippel klebt, ist alles mögliche auf dem Markt zu haben.
Im Amerika der 1970er Jahre war das alles aber ganz anders. Verglichen mit heute, stand die Welt damals in der Nippel-Frage nämlich geradezu Kopf, da es unter den Damen als schick und sexy galt, harte Brustwarzen unter dem Oberteil zur Schau zu stellen. Das ging sogar so weit, dass manche Hersteller in den Vereinigten Staaten BHs zum Verkauf anboten, die einen ständigen „Harte-Nippel-Effekt“ gewährleisteten. Der sogenannte „No-Bra-Look“ war total angesagt, die entsprechenden Teile wurden offen beworben und waren zum durchschnittlichen Preis von 20 US-Dollar zu haben. Erhältlich waren sie zumeist in den Größen 32-34-36, die standardisierten Farben waren schwarz, weiß und beige. Erwünscht war dabei ausdrücklich die provokante Optik kombiniert mit der unterstützenden Wirkung eines herkömmlichen Büstenhalters.
Und wie so oft, spricht ein so alltägliches Phänomen Bände über den Zeitgeist, in dem er vorkommt. Zu beobachten ist hier also nicht nur ein für die 70er typischer ungezwungener Umgang mit den weiblichen Reizen, sondern auch dessen Kontrast zu der heute verbreiteten Trivialisierung des Erotischen einerseits und einer in den vergangenen Jahrzehnten zurückgekehrten, unterschwelligen Prüderie andererseits. Das gesellschaftlich-geschlechtspolitische Paradigma in Bezug auf das Verhältnis zwischen Funktionalität und Provokation von Damenmode hat sich gleichwohl in der Zwischenzeit zugunsten eines neuen Typus der Zurschaustellung weiblicher Sexualattribute umgekehrt.
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