Slips im Kommunismus: Auch Glasnost trug Unterwäsche
Wer die Geschichte der Sowjetunion, dieses experimentellen Riesenreichs aus einer nicht allzu fernen Vergangenheit, und die ihrer Bewohner verstehen will, der wirft am Besten einen Blick auf die Unterwäsche der russischen (Zwangs-) Kommunisten von damals. Die Menschen zwischen Moskau und Wladiwostok quälte eine Phobie, die mit selbst gestrickten Unterhosen und selbst gebastelten Büstenhaltern zu tun hat. Immer mussten sie fürchten, dass das Unterhosengummi reißt oder die Strümpfe verrutschen. Selbst heute noch fürchten viele Russinnen, dass ihre Unterhosen zu sehen sein könnten. Also lebt man in Russland weiterhin mit zusammengepressten Beinen. Slawische Prüderie eben.
Aber vieles hat sich dennoch geändert. Anfang der 2000er zog sich Moskau zum ersten Mal öffentlich bis auf die Unterwäsche aus. Und zwar auf einer Ausstellung mit dem Titel „Das Gedächtnis des Körpers – sowjetische Unterwäsche von 1917 bis 1991.“ Die Besucher kamen in Scharen, um die frühere Schande zu begutachten: Ausgeleierte, knielange, Damenschlüpfer in schweinchenrosa, lange Männerunterhosen, in denen man aussah, als hätte man sich vollgeschissen. Der Hosenboden hing immer schlabberig herunter. Oder die ersten selbst gemachten, aus alten Unterhosen und Strümpfen improvisierten Strumpfhosen für die moderne, sozialistische Frau. Bunte Unterröcke aus der DDR waren da noch der letzte Schrei und heiß begehrt!
Die sowjetische Top-Unterwäsche für die Underdog-Klasse, die es im Arbeiter-und-Bauern-Staat zu würdevoller Proletarier-Existenz geschafft hatte, war militärisch-sportlich und betont maskulin designt. Doch die Frauen trugen noch bis in die 50er oft vorrevolutionäre Unterwäsche, also Unterwäsche, die vor 1917 gefertigt worden war… Das waren dann Erbstücke, wieder und wieder geflickt und zugenäht. Egal ob man Blaumann oder Uniform trug, zwischen diesen und der Unterwäsche verlief die Grenze sozialistischer Schamhaftigkeit. In der Sowjetunion war diese aber, wie so vieles, widersprüchlich. In den Gemeinschaftswohnungen baumelte die Unterwäsche im Flur jedem vor de Gesicht herum, am Strand saßen alle in Unterwäsche nebeneinander und keiner störte sich daran…
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